Die Notdurft Will man heute die Notdurft verrichten, muss man auf nichts mehr verzichten. Der Abtritt war früher zugig und kalt, im Winter verließ man ihn deshalb bald. Im Sommer stank es, war voller Fliegen, die konnten nie genug davon kriegen, sich von Exkrementen zu ernähren und man konnte sich nicht dagegen wehren.
Heute hat man duftende Toiletten, sie sind saubere, hygienische Stätten. Dort hält man sich gerne auf und lässt den Dingen ihren Lauf. Wenn man auf ihr sitzt beim Bücken, kann man sich sehr gut ausdrücken. Die Wasserspülung, das ist fein, macht die Toilette wieder rein. Gegen Gestank gibt es Dürfte aller Art, denn damit wird nicht gespart. Mensch, sei dankbar und freu dich so, dass du hast einen komfortablen Klo.
Die Taktik der Werbung will die Menschen beugen und sie unbedingt davon überzeugen, dass sie gewisse Dinge haben müssen, die sie nicht brauchen und doch vermissen.
Monika Kühn-GörgNichtkommerzielle Verwendung des Spruches mit Autorenangabe ausdrücklich erlaubt
Das letzte Hemd Am Ende des Lebens habe ich es ausgezogen, ich gab es her, mochte es nicht mehr, denn oft hatte ich mich selbst belogen. Die Taschen waren zu groß und schwer, der Schnitt nicht locker, sondern streng, zu unflexibel, nicht weich sondern steif, der Geizkragen zu eng mit einem kalten Ring aus Eis. Ich konnte nicht vollkriegen den Hals, er blieb kalt, trotz wärmender Schals. Jetzt war es mir fremd, mein letztes Hemd. Bis zum Hals im Wasser ich stand, hoffte auf ein Wunder, keinen Halt mehr ich fand, tauchte ohne Ballast unter, konnte mich treibenlassen wie ein Floß, ohne mein letztes Hemd, so unbelastet, frei und schwerelos wurde ich sanft davongeschwemmt. Ich trieb langsam fort an einen anderen Ort, wo mich keiner kennt, niemand braucht, ohne mein letztes Hemd bin ich wieder aufgetaucht.
Monika Kühn-GörgNichtkommerzielle Verwendung des Spruches mit Autorenangabe ausdrücklich erlaubt