Es tut weh, sich ins Zimmer einzuschließen, auf den Boden zu sinken, und seinen Tränen freien Lauf zu lassen. Ohne einen Ton von sich zu geben, man könnte ja gesehen oder gehört werden – man muss doch stark sein.
Kritisiert der Spruch, dass man, wenn man sich scheiße fühlt und wirklich größere Probleme hat, auch noch darauf achten muss, dass die anderen einen nicht sehen und drob verachten?
Ich glaube schon.
Aber ich glaube, es geht nicht nur ums stark sein.
Wirkliche Trauer kann man entweder alleine überwinden oder mit Hilfe anderer.
Oberflächliche Trauer (salopp gesagt: Emo-Trauer) will meistens celebriert sein. Gut sichtbare Ritzereien auf dem Arm, Hundeblick, schwarze Kleidung, übertriebene Verletzlichkeit. Alleine überwinden ist da selten.
Wenn also jemand für sich alleine trauert, sich zurückzieht und das alleine überwinden will, steckt bei neunzig Prozent ein Problem dahinter, das überwunden werden will.
Stellt sich einer in die Menge und beginnt das jammern und flennen, hat man nur noch eine 50-50-Chance. Vielleicht braucht derjenige jemanden und schafft das nicht alleine. Vielleicht hat er aber auch nur ein Aufmerksamkeitsdefizit.
Und weil letzteres meist nicht nötig gewesen wäre und nervt, wächst die Achtung vor denen, die ihre Probleme alleine bewältigen, während sie bei denen sinkt, die auf andere angewiesen sind.
Letztenendes führt das wieder dazu, dass man in der Öffentlichkeit stark sein muss. Das ist irgendwo veraltet.
Aber hey, immerhin sind wir schon einen Schritt weiter: Wir verachten Schwäche nicht, weil wir sagen "Och Junge, ein Indianer kennt keinen Schmerz. Heul nicht rum, du bist doch ein Mann!". Wir verachten Schwäche, weil sie manchmal keine Schwäche ist
Signatur
Hope is the biggest lie there is, and it is the best.
We have to keep going as if it all mattered, or else we wouldn't keep going at all.
Allie Keys in "Taken"
Ich nehme einfach mal ein krasseres Beispiel: Selbstmord.
Entweder, du willst wirklich sterben. Dann redest du nicht viel drüber sondern bringst dich einfach um. Punkt. Recht unproblematisch.
Dann gibt es die Leute, die sich noch nicht sicher sind. Die reden davon, spielen mit dem Gedanken und fordern die Welt auf: Gebt mir etwas, für das ich leben kann und ich werde nicht sterben. Die Leute wollen nicht wirklich sterben, aber sie sind verzweifelt genug zum sterben.
Und dann gibt es noch die dritte Gruppe - die kann ich so gar nicht ab - die einfach nur eine riesige Show daraus machen, wie sehr sie leiden und wie ach so schlecht es ihnen geht. Sie erzählen jedem, dass sie sich umbringen wollen und zwar nur, um deren Aufmerksamkeit zu bekommen. Sehr erbärmlich.
Ich verstehe den Spruch so, dass wir in einer Welt leben, die an der Tiefe der menschlichen Seele nur bedingt Interesse hat. Und ebenso in einer Gesellschaft, die "Luxusprobleme" hat. Wenn es mir schlecht geht denke ich an die, denen es schlechter geht und habe ein unheimlich schlechtes Gewissen dass ich so eine Heulsuse bin. Sehr lästig. Es ist schwierig, der Welt gegenüber zu stehen und ihnen deine wahren Gefühle zu präsentieren, ohne gleich als Emo, durchgeknallt oder schwach zu gelten (dabei sehe ich persönlich darin, zu seinen Schmerzen zu stehen eher die Stärke!). Das brauch man dann irgendwie doch nicht. Da fällt mir noch etwas zu ein:
Zwar fragen uns Bekannte stets wenn sie uns treffen: "Na, wie geht's?" Doch warten sie so lange nie, bis wir es sagen könnten, wie Wir stellen drum statt langer Klage, sofort die kurze Gegenfrage Dann ziehen höflich wir den Hut und sagen beide: "Danke, gut!" Wir scheiden, ohne uns zu zu grollen weil wir's ja gar nicht wissen wollen
Eugen RothAbmahnungen bekannt, Eugen Roth ist nicht im Spruch-Archiv erlaubt.
Ich denke, das sagt es auch ganz gut: Wir wollen eingentlich gar nicht wissen, was die anderen beschäftigt (na ja, bis auf gewisse Ausnahmen natürlich ...)
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Carl HiltyDer Spruch darf mit Autorenangabe frei verwendet werden, da die urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist († 12. Oktober 1909) Zur Autorenbiographie
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