Alter Falter Wenn der Mensch den Mutterleib verlässt, hat er sich das Licht der Welt erpresst. Er hat jetzt zwar das Leben gewonnen, doch es ist von Seidenfäden umsponnen. In diesem Kokon aus Fürsorge und Liebe, er gerne noch etwas länger bliebe. Man ist wie in der Natur, eine schöne Larve in einer Puppe nur. Es gilt sich zu entpuppen und entfalten und eine Metamorphose zu gestalten. Der Mensch sitzt in dieser Phase in einer undurchdringlichen Blase. Man ist noch Kind und nicht erwachsen und die Flügel müssen noch wachsen. Will man das raupenhafte Dasein verlassen. werden die Farben der Kindheit verblassen. man wird zum bunten flatterhaften Falter, erreicht der Mensch das jugendliche Alter. Der entwickelt sich dann vor allen Dingen zu einem Wesen mit starken Schwingen. Wenn der Mensch dann ausgereift, und das Alter nach ihm greift, bleibt zwar sein Geist noch wach, doch seine Flügel werden schwach. So ist man im Alter ein faltiger Falter, doch immer noch eigener Lebensgestalter.
Ein Stern wird geboren aus der Verdichtung von Gasen, flüssige Mineralien erkalten in wunderschönen kristallinen Mustern, eine Knospe erblüht zur Blume, eine Raupe wird zum Schmetterling, es scheint, als gäbe es für jedes Ding, jedes Wesen einen Weg, eine Bestimmung; sie werden, was sie bestimmt sind zu sein.
Das Blatt, auf dem die Raupe lebt, ist für sie eine Welt, ein unendlicher Raum.
Ludwig FeuerbachDer Spruch darf mit Autorenangabe frei verwendet werden, da die urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist († 13. September 1872) Zur Autorenbiographie
Wenn eine Raupe sich verpuppt, bevor sie zum Schmetterling wird, darf man nicht eingreifen. Kommt man da mit einem Skalpell zu Hilfe, sind nachher die Flügel kaputt. Ebenso muss eine heranwachsende Persönlichkeit ihre eigenen Erfahrungen zu machen, sonst wird sie nie richtig lebensfähig sein.