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 Diskussion zu "Sinn der Demokratie" Antworten
Do, 31. Oktober 2013, 16:03
Tanja 5462 Sprüche
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Diskussion zu "Sinn der Demokratie"
Im neusten Gedanken geht es darum, ob man sein Wahlverhalten lieber an den eigenen Interessen ausrichten sollte, oder ob man das Wählen sollte, was der eigenen Wertevorstellung entspricht.
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Allie Keys in "Taken"

Do, 31. Oktober 2013, 21:27
Xian 1367 Sprüche
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Idealerweise sollten die eigenen Interessen und das Gemeinwohl Hand in Hand gehen. Das, was für dich das Beste ist, ist gleichzeitig das Beste für die Gesellschaft.

Nun funktioniert das leider nur in der Theorie; praktischerweise sind die Bedürfnisse und Situationen der unterschiedlichen Menschen viel zu verschieden.


Ein paar Punkte, die du angesprochen hast, möchte ich noch mal hervorheben:
1) Bedürfnisse ändern sich
2) Bedürfnisse sind unterschiedlich
3) Man kann nicht wissen, was für andere/alle das Beste ist

Wenn aber die Bedürfnisse der einzelnen Menschen verschieden ist, dann kann es gar keine idealistische, allumfassende Politik geben. Sie muss immer subjektiv, d.h. auf einzelne Gruppierungen abgestimmt sein.


Oder anders ausgedrückt:

Allen Leuten Recht getan,
ist eine Kunst,
die niemand kann

deutsches Sprichwort erlaubterlaubtAllgemeingut zur freien Verwendung


Okay, also ist deine Frage jetzt:
Sollte man das wählen, was für mich individuell das Beste ist?
Oder was ich für die Mehrheit der Menschen für das Beste halte (auch wenn es meinen Interessen zuwiderläuft)?


Gegenfrage:
Muss das sich widersprechen? Für mich persönlich ist es besser, nicht von Atomkraftwerken verstrahlt zu werden, Tiere nicht sinnlos zu quälen, schöne Wälder und die Freiheit im Internet zu erhalten. Das ist für mich gut - und ich denke auch, dass es gesellschaftlich ganz in Ordnung ist. Schadet ja niemandem.

Und genau dieses "schadet ja niemandem" ist der Knackpunkt.
Wenn ich Lobbyist bin, auf schnelle, spritfressende Autos stehe, dann hab ich natürlich das Bedürfnis, meinen Lebensstandard beizubehalten. Vielleicht noch die ein oder andere gut ausgebaute Straße dazu, aber bloß keine PKW-Maut oder gar Geschwindigkeitsbeschränkungen auf den Autobahnen.

Meine Interessen sind klar definiert.
Es ist aber genauso klar, dass umweltzerstörendes Verhalten generell dem größten Teil der Menschheit schaden wird.


Die Fragen sollte nicht sein "Sollte ich den Interessen der Menschheit Vorrang geben, weil es mein soziales Gewissen beruhigt" oder "Wie kann ich meine eigenen Interessen am Besten durchboxen?" sondern eher "Wieso habe ich eigentlich Interesse daran, anderen Menschen zu schaden?"
SignaturLiebe Grüße,
Christian 1367 Sprüche
Do, 31. Oktober 2013, 23:40
Tanja 5462 Sprüche
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Teilweise sprichst du was Richtiges an. Aber meistens geht es nicht um bewusstes Schaden.

Du bist Unternehmer und findest es eigentlich gar nicht schlecht, dass du einige Arbeitnehmer aufstocken lassen und so nicht vollständig zu bezahlen brauchst. Du hast zwar nicht vor, die zu übernehmen, weil dir das zu teuer ist, aber als subventionierte Arbeiter sind durchaus wirtschaftlich rentabel - und wie sollst du als Unternehmer denn bitte handeln, wenn nicht wirtschaftlich rentabel?

Du bist Besserverdiener und hast kein dringendes Bedürfnis, mehr Steuern zu zahlen. Du weißt, dass Deutschland wohl irgendwann seine Schulden abbezahlen muss, aber wieso denn deine Generation? Immerhin gehörst du zu den Leistungsträgern der Gesellschaft. Könnten nicht vielleicht mal die stärker belastet werden, die nichts zur Wirtschaft beitragen - braucht es BAföG? Könnten die Harzter-Sätze nicht mal gesenkt werden? Oder die ganzen Fördergelder für Kitas und Elternzeit und womöglich auch noch Mütterrente?

Du bist Besitzer eines Pitbulls, von dem bekannt ist, dass er sehr unterordnungsbereit und bei richtiger Haltung ein friedfertiger Familienhund ist. Dein Exemplar ist auch ein ganz Lieber. Dennoch brauchst du einen Maulkorb, kannst ihn nicht ohne Leine durch den Park laufen lassen und wenn du ihn mitnimmst, während du dein Kind in die Kita bringst, beschweren sich sofort die anderen Eltern.
Dir ist klar, dass Pitbulls auch gefährlich sein können und sie durch menschlichen Einfluss aggressiv gemacht werden können. Die Angst und Vorsicht der andere ist also nicht ganz unbegründet. Aber es geht hier auch um deine Freiheit, und ehe die eingeschränkt wird, sollen doch bitte generell die Auflagen für Hundebesitzer - insbesondere für die "gefährlichen Hunde" - ordentlich runtergeschraubt werden.

Schlussendlich weißt du bei jeder Entscheidung, dass du in der Rolle eines anderen Menschen eine andere Sichtweise vertreten hättest. Du würdest auch nicht, wenn du einen idealen Staat zeichnen müsstest, deine Wahlentscheidung unter den gesamtgesellschaftlich sinnvollen Punkten auflisten.
Du machst das nicht, um anderen zu schaden. Aber es ist praktischer für dich.
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Allie Keys in "Taken"

Di, 5. November 2013, 00:09
Talnop 3019 Sprüche
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Sinn der Demokratie, einwenig vielleicht anregendes erwünscht?

Demokratie ist bekanntlich wörtlich genommen die Herrschaft des Volkes.
Nun, das muß ja nicht gleich die Diktatur des Proletariats sein.
Es könnte auch sein, das die Gemeinschaft das Sagen hat und im Sinne ihres friedlichen Fortbestehens handelt. Das widerum zieht nach sich, das sich nicht alles (demokratisch) frei entfalten kann.
Unter der jetzigen Demokratie, zu der es bis heute noch keine vernünftige Altewrnative, oder besser Weiterentwicklungsvorschläge gibt, entwickelt sich alles relativ frei.
Gerade darin besteht eine Gefahr für die Zukunft.
Die Ebene von "Leistung" (mit ihr das Geld und Kapital) läuft allen anderen Bereichen davon.
Das ist kein gutes Omen!
LGr Karl
Di, 5. November 2013, 17:02
Joha 2178 Sprüche
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Was du da sagst von der "Herrschaft des Volkes" ist im Grunde richtig. Das ist die Idee der Demokratie. Punkt dieser Alle-Politik ist aber, dass nicht alles so läuft, wie es der Einzelne gerne hätte, sondern wie es die Masse gerne hätte. Das ist ein ganz entscheidender Schritt, den ja Xian 1367 Sprüche und Tanja 5462 Sprüche gerade diskutieren.
Di, 5. November 2013, 20:03
Tanja 5462 Sprüche
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Zitat von Talnop 3019 SprücheSinn der Demokratie, einwenig vielleicht anregendes erwünscht?

Die Anregung zur Diskussion ist in diesem Text hier *klick*
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Sa, 9. November 2013, 00:00
Talnop 3019 Sprüche
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Demokratie
Tanja:
"Das klingt total lieb, beinhaltet aber die Arroganz, das man glaubt, zu wissen, was gut für die Gesellschaft ist. Das Dumme ist: Das weiß man nicht."
Die Zukunft kennen wir nicht wirklich, können aber wohl 3 und 3 zusammen zählen.
Wenn wir nicht wissen was für die Gemeinschaft gut ist, wofür dann überlegen, ist doch egal was wir machen? Jeder folge nach seiner erworbenen Macht seinen Interessen?
Aber nennen wir sie mal weise Menschen, die es in der Vergangenheit sehr sicher reichlich gab, sonst wäre die Menschheit heute nicht da wo sie ist, diesen Menschen wirfst du indirekt Arroganz vor, wenn ich dich richtig verstehe?

"Also wäre es vielleicht doch das Beste, jeder wählt nur das, was ihm persönlich nutzt? Nach dem Motto "Wenn jeder an sich selbst denkt, ist an alle gedacht"?"
Letzten Satz hatten wir schon mehrere Male, ging immer schrecklich böse aus, obwohl im konservativ liberalen Flügel diese Meinung tatsächlich auch heute noch abgewandelt vertreten wird.
Übrigens, Demokratie unserer Zeit ist nicht Volksherrschaft sondern herrschen von Mehrheiten über Minderheiten, das ist ein zarter Unterschied.

"Es ist verdammt einfach, Idealist zu sein, wenn man noch keine Steuern zahlt, kein Auto fährt, keine Kinder großzieht, nie Hartz-IV beantragen musste, sich noch nicht um die Rente kümmert, kein Millionenerbe ansteht und kurzum: man einfach nicht betroffen ist."
Was du meinst verstehe ich schon, doch das sind "Möchtegernidealisten", die schnell bei Erbschaft liberal werden. Idealismus ist ein Teil meiner ganzheitlichen Denkweise, ich kenne wohl ihren Stellenwert im Ganzen ala Schiller, und... ich lebe seit 4 Jahren von Hartz-IV, pflege seit 4 Jahren meine Mutter und habe meinen Idealismus nichtdeswegen abgelegt, ganz im Gegenteil.

All das Geschwatze über unsere Demokratie mag ja gut und schön sein, und diese Form von Politik sichert uns immerhin ein weit besseres Leben als vielen anderen, auf Kosten der Anderen, aber in Wirklichkeit ist es eben nur eine Scheindemokratie.
Unsere Politiker sind rein pragmatisch geworden, visionäre Theoretiker sind ausgestorben, und das Volk wählt zwar, doch dann werden so oder so entsprechend den Machtverhältnissen die Weichen gestellt, bei Maßgabe immer den sozialen Frieden und die Mehrung des Kapitals zu wahren. Strategische Erwägungen betreffs wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer Perspektiven für die Gemeinschaft sind kalter Kafffee, die Rendite erfordert Taktik, Strategie nur wenn die Suppe verbrannt ist.
Man muß doch kein Hellseher sein, um dieses System zu durchschauen.
Fangen wir einfach mal bei der Gewinn- und Kostenverteilung volkswirtschaftlich an, und unser demokratisches Pferd bekommt schon einen Fuchsschwanz.
Nehmen wir die Streitkultur und die wirklichen Interessen unserer Politiker, und das Saubermannpferd bekommt die Zähne und Augen vom Fuchs.
.... u.s.w.
LGR Karl
Do, 14. November 2013, 21:44
Tanja 5462 Sprüche
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Zitat von Talnop 3019 SprücheWenn wir nicht wissen was für die Gemeinschaft gut ist, wofür dann überlegen, ist doch egal was wir machen? Jeder folge nach seiner erworbenen Macht seinen Interessen?
Aber nennen wir sie mal weise Menschen, die es in der Vergangenheit sehr sicher reichlich gab, sonst wäre die Menschheit heute nicht da wo sie ist, diesen Menschen wirfst du indirekt Arroganz vor, wenn ich dich richtig verstehe?
Ich persönlich werfe ihnen nicht Arroganz vor, aber ich sehe beispielsweise die Grünen als eine Partei, die sich mehr auf ideale Lösungen für die gesamte Gesellschaft konzentrieren als nur ein Klientel zufrieden zu stellen. Und es ist nunmal so, dass viele den Grünen vorwerfen, arrogante, paternalistische Moralprediger zu sein. Zeigt sich ja auch im Wahlergebnis.

Zitat von Talnop 3019 SprücheÜbrigens, Demokratie unserer Zeit ist nicht Volksherrschaft sondern herrschen von Mehrheiten über Minderheiten, das ist ein zarter Unterschied.
Hierzu muss ich einfach anmerken: Demokratie wird oft automatisch mit Mehrheitsdemokratie gleichgesetzt, es gibt aber auch das Gegenmodell der Konkordanzdemokratie (wie die Schweiz).
Deutschland befindet sich laut Meinung und Forschung vieler Politikwissenschaftler so in der Mitte zwischen beiden.
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Allie Keys in "Taken"

Fr, 15. November 2013, 15:58
Xian 1367 Sprüche
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Au ja. Grünenbashing!!!

Die Grünen wollen Volkspartei spielen. Volkspartei zu sein bedeutet aber auch, kein klares Profil mehr zu haben, weil man es allen Leuten Recht machen will.

Neben ihrer moralisierenden Wahlkampagne (Und du?) haben sie voll ins Klo gegriffen, weil sie ihr Thema, ihr Ziel und ihr Profil verloren haben. Die CDU/SPD haben ihr den Atomausstieg abgenommen, und was bleibt ihr jetzt noch übrig? Veggie-Day? Steuererhöhungen oder -senkungen? Autobahnmaut? Die Grünen haben kein Profil mehr.

Du sprichst von "idealen Lösungen" für die gesamte Gesellschaft. Aber das haben sowohl die Grünen, als auch die ödp oder die Piraten. Selbst CDU und SPD beanspruchen das für sich. Und worin unterscheiden sich die idealen Lösungen jetzt? Nur in Kleinigkeiten. Angepackt und geändert wird aber trotzdem nichts, weil ein Atomausstieg per definitionem schlecht und falsch ist, wenn er von der CDU kommt!?

Vielleicht wäre eine Fall-zu-Fall-Demokratie sinnvoller. Ein-Themen-Parteien. Volksentscheide. Wo man nicht gezwungen ist, ein Gesamtpaket zu kaufen, das dann sowieso an der Opposition oder an innerparteilichen Streitigkeiten scheitert, sondern wo man individuell bei jedem Punkt entscheiden kann, was man möchte oder nicht.

Ja, klar, dann wird die Demokratie persönlicher. Und man versucht, seine eigenen Interessen durchzukriegen. Oder eben das, was man für richtig hält (auch wenn beides eigentlich miteinander d'accord gehen sollte).
Aber ist das was Schlechtes? Volksentscheide, direkte Politik, unmittelbare Macht des Volkes?
SignaturLiebe Grüße,
Christian 1367 Sprüche
Sa, 16. November 2013, 23:20
Talnop 3019 Sprüche
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Demokratie
Danke der guten Worte.
"Vielleicht wäre eine Fall-zu-Fall-Demokratie sinnvoller. Ein-Themen-Parteien. Volksentscheide. Wo man nicht gezwungen ist, ein Gesamtpaket zu kaufen, das dann sowieso an der Opposition oder an innerparteilichen Streitigkeiten scheitert, sondern wo man individuell bei jedem Punkt entscheiden kann, was man möchte oder nicht."
Genau, das wäre die richtige Richtung meiner Meinung nach.
So wäre das irreführende pol. Geflecht transparenter.
"Volksentscheide, direkte Politik, unmittelbare Macht des Volkes?"
Ist doch eine gute Sache.
Ein Pilot bringt ein Flugzeug sicher auf den Boden, doch ein Fehler von ihm und es geht schief.
Außerdem ist er leicht zu beeinflussen.
20 000 Menschen, wenn das ginge, würden die die Maschine auch so gut landen können?
auch wenn es keine Piloten wären!
Schlechter zu beinflussen wäre diese Masse und ein paar Fehler würden in der Masse untergehen?
Eure Meinung würde mich mal interessieren und was damit gemeint ist.
Lgr Karl
So, 17. November 2013, 21:14
Tanja 5462 Sprüche
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Zitat von Xian 1367 SprücheDie Grünen wollen Volkspartei spielen. Volkspartei zu sein bedeutet aber auch, kein klares Profil mehr zu haben, weil man es allen Leuten Recht machen will.
Wie kommst du darauf, dass die Grünen alles dafür tun würden, Volkspartei zu werden? Ihr Wahlprogramm ist nicht wischiwaschi, ihre Forderungen nicht populistisch, ihr Fähnchen weht nicht nach dem Wind und ihr Wahlergebnis spricht auch nicht dafür.
"Die ham kein Profil" ist so eine einfach hinzuwerfende und praktischerweise nicht klar definierte These, sowie "Die sind zerstritten", sobald es mal parteiinterne Diskussionen gibt; aber inhaltlich liegt es nicht weit über "Die sind voll doof".

Zitat von Xian 1367 SprücheNeben ihrer moralisierenden Wahlkampagne (Und du?) haben sie voll ins Klo gegriffen, weil sie ihr Thema, ihr Ziel und ihr Profil verloren haben. Die CDU/SPD haben ihr den Atomausstieg abgenommen, und was bleibt ihr jetzt noch übrig? Veggie-Day? Steuererhöhungen oder -senkungen? Autobahnmaut? Die Grünen haben kein Profil mehr.
Ich sehe nichts böses an der Werbekampage. Hast du dir mal die Kommentare beim verlinkten Zeit-Artikel durchgelesen? Viele sagen dort, dass sie es gut finden, wenn die Grünen sich klar für und gegen etwas positionieren und von ihren Wählern erwarten, dass die ebenfalls eine Meinung dazu haben.
Der Artikel sagt im wesentlichen, die Werbung ist unangehm, weil man da in einen Konflikt mit seinem Gewissen kommt: "Ja, ich bin dafür, aber ich will nicht drauf angesprochen werden, schließlich handle ich nicht dementsprechend." Möchtest du der Partei jetzt wirklich ankreiden, dass du als Wähler unter deiner eigenen fehenden Integrität leidest, aber im Wahlkampf gefälligst umschmeichelt werden möchtest?

Und meine Güte - glaubst du, weil die CDU sich kurzfristig entschlossen hat, es auch mal mit der Energiewende zu versuchen, sind die Grünen jetzt unnütz oder sollten sich lieber mal ein neues, innovatives Thema suchen, nur um sich abzugrenzen? Die CDU macht die Energiewende vorrangig unter dem Druck nach Fukushima, folglich liegt der Schwerpunkt auf dem Atomausstieg - den Grünen geht es vorrangig um die Umwelt, also wollen sie, dass bitte auch die Kohlekraftwerke abgeschafft werden (was bei der CDU eher vernachlässigt wird). Die Grünen sind außerdem Überzeugungstäter, die auch dann nicht zu einem schleichenden Ausstieg aus dem Ausstieg aus dem Ausstieg aus dem Ausstieg übergehen werden, wenn der Medienrummel vorbei ist und die Bevölkerung nicht mehr hinguckt.
Und die Unterstützung für Snowden, der Einsatz gegen Massentierhaltung oder meinetwegen auch der Veggie-Day zeigen, dass die Grünen durchaus noch eigene Themen haben und nicht einfach durch eine andere Partei ersetzt werden könnten - ich weiß nicht, wie du auf die These mit der Profillosigkeit kommst.

Zitat von Xian 1367 SprücheDu sprichst von "idealen Lösungen" für die gesamte Gesellschaft. Aber das haben sowohl die Grünen, als auch die ödp oder die Piraten. Selbst CDU und SPD beanspruchen das für sich.
Natürlich haben auch andere Parteien "Gesamtlösungen", in dem Sinne, als dass sie zu jedem Thema irgendwas äußern. Das meine ich aber nicht mit "idealen Lösungen".
Die Grünen zeichnen sich aus meiner Sicht dadurch aus, dass sie auch Punkte in ihrem Wahlprogramm haben, die sich überhaupt nicht an ein Klientel wenden. Da geht es nicht darum, den Müttern, die daheim bleiben wollen, ein Bonbon zu schenken, die Industrie für sich zu gewinnen, Filme-Streamern mit Legalisierung zu winken oder die Homophobie des Durchschnittsbürgers zu befriedigen. Gerade das große Ursprungsthema, der Umweltschutz, ist eben etwas, was für den einzelnen unmittelbar keinen spürbaren kurzfristigen Vorteil bringt, aber langfristig generationen- und länderübergreifend sinnvoll ist. Und auch die Steuererhöhungen sind etwas, was dem Einzelnen sauer aufstößt, aber bei vernünftigem Einsatz (Schuldenabbau, Verbesserung der Pflege, Kampf gegen die Präkarisierung) sinnvoller ist als jedes Jahr neue Schulden zu machen, gerade in Zeiten einer gut stehenden Wirtschaft in Deutschland.
"Gesamtlösungen" haben alle, ja. Aber "ideale Lösungen", bei denen mehr dahinter steckt als Kalkül bezüglich der anvisierten Wählergruppen, traue ich nur wenigen Parteien zu, und die CDU und die SPD gehören nicht dazu (womit ich nicht sagen will, dass die Grünen die einzigen sind).

Zitat von Xian 1367 SprücheUnd worin unterscheiden sich die idealen Lösungen jetzt? Nur in Kleinigkeiten.
Würdest du genau hinsehen, würdst du merken, dass es sich nicht um Kleinigkeiten handelt. Es ist ein Unterschied zwischen einer Frauenquote und einer Flexiquote, zwischen einem Mindestlohn und einem tarifgebundenen Irgendwas, zwischen echtem Interesse für den Niedriglohnsektor und der stets passenden Phrase "Aber uns gehen Arbeitsplätze verloren, wenn wir die Arbeitsbedingungen human gestalten. Und Parteispenden."
Es ist auch ein Unterschied, ob wir jetzt eine kleine, gemäßigte Koalition gehabt hätten, oder zwei große Parteien, die beide ausgesprochen wankelmütig sind und die nächsten vier Jahre eine Paketlösung nach der anderen schnüren werden ("Wenn du die alten Kohlekraftwerke abnickst, nicke ich, wenn du den Gewerkschaften irgendwelche Sonderrechte zubilligst") während die Opposition aufgrund ihrer putzigen Größe keine Untersuchungsausschüsse einberufen darf, keine Gesetze vom Verfassungsgericht prüfen lassen darf und insgesamt ganze 12 Minuten pro Stunden reden darf.

Zitat von Xian 1367 SprücheGrünenbashing!!!
Ja, genau danach wirkt es.
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Allie Keys in "Taken"

Mo, 18. November 2013, 16:23
Xian 1367 Sprüche
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Zitat von Tanja 5462 Sprüche Wie kommst du darauf, dass die Grünen alles dafür tun würden, Volkspartei zu werden? Ihr Wahlprogramm ist nicht wischiwaschi, ihre Forderungen nicht populistisch, ihr Fähnchen weht nicht nach dem Wind und ihr Wahlergebnis spricht auch nicht dafür.
Was sind (oder besser: waren) denn die Grünen? Die Umweltschutzpartei schlechthin. Wenn sie sich nicht "auch" sondern "völlig" auf Umweltschutz konzentrieren würden, dann hätten sie deutlich mehr Zuspruch. Weil die überwiegende Mehrheit grad voll merkt, dass Umweltschutz total wichtig ist, ey.

Worüber haben wir uns denn bei den Grünen unterhalten? "Atomausstieg nicht wischi-waschi, sondern jetzt sofort"? "Stoppt die Kohlekraftwerke"? "Für nachhaltige Produktion"?
Nein. Die Grünen wollen alles. Homo-Ehe, gute Bildung, Altersgerechtigkeit, gleiche Chancen für alle, Steuerpolitik, Freies Netz, Direktere Politik. Ja, und auch 100% erneuerbare Energien.

Klar. Als Gesamtprogramm ist das gut wählbar, wirklich schön, fundiert, und ein Weg, mit dem man mittel- und langfristig sicher besser fährt als mit dem CDU- und SPD-Gschmarri.
Aber so ein nettes Gesamtpaket haben auch die ödp. Und die Piraten (ja, das sind die drei Parteien, mit denen ich laut Wahl-o-mat die meiste Übereinstimmung habe. Und zu denen ich mich persönlich am Meisten hingezogen fühle).

Nur, wen von denen wählt man jetzt?

Zitat von Tanja 5462 Sprüche "Die ham kein Profil" ist so eine einfach hinzuwerfende und praktischerweise nicht klar definierte These, sowie "Die sind zerstritten", sobald es mal parteiinterne Diskussionen gibt; aber inhaltlich liegt es nicht weit über "Die sind voll doof".
Falsch. Die haben kein Profil mehr.
Die hätten ein klares Profil haben können und haben die Möglichkeit nicht genutzt.
51 Prozent sind für einen schnelleren Atomausstieg. Aber wir haben aktuell keine ernstzunehmende Partei, die einfach nur sagt "Hey, weg mit der Atomkraft".

Für mich sollten die Grünen keine Partei mit Komplettprogramm sein, sondern eine Themenpartei. Umweltschutz. Ja. Ist wichtig. Priorität Nummer 1. Ja, würd ich wählen.

Zitat von Tanja 5462 Sprüche Und meine Güte - glaubst du, weil die CDU sich kurzfristig entschlossen hat, es auch mal mit der Energiewende zu versuchen, sind die Grünen jetzt unnütz oder sollten sich lieber mal ein neues, innovatives Thema suchen, nur um sich abzugrenzen?
Nein. Der Atomausstieg ist bei Weitem noch nicht abgeschlossen. Die Grünen sollen grün bleiben. Und nicht so ne Mischung aus Wischiwaschi-Gelb-Orange-Grün-Blau-Rot-Schwarz.

Zitat von Tanja 5462 Sprüche Und die Unterstützung für Snowden, der Einsatz gegen Massentierhaltung oder meinetwegen auch der Veggie-Day zeigen, dass die Grünen durchaus noch eigene Themen haben und nicht einfach durch eine andere Partei ersetzt werden könnten - ich weiß nicht, wie du auf die These mit der Profillosigkeit kommst.
Wenn ich eine Partei wähle, dann mache ich das nicht, weil diese Partei regieren soll. Schön wär's, wird aber bei der idiotischen CDU-SPD-Übermacht sowieso nicht klappen. Und dann gibts wieder einen Flickenteppich aus Kompromissen und krummen, halbherzigen Paketlösungen. Und die Grünen, hätten sie die Möglichkeit, wären auch munter mit dabei.

Wenn ich eine Partei wähle, dann mache ich das, um "der Politik" eine Botschaft zu schicken: Guckt mal, das ist mir wichtig.

Zitat von Tanja 5462 SprücheGerade das große Ursprungsthema, der Umweltschutz, ist eben etwas, was für den einzelnen unmittelbar keinen spürbaren kurzfristigen Vorteil bringt, aber langfristig generationen- und länderübergreifend sinnvoll ist.
Und gerade das große Ursprungsthema kommt mir zu kurz. Hey, immerhin sind das die Grünen.

Die Piraten als "Internetpartei" haben noch diesen Ruf; Sie bieten zwar auch ein nettes Gesamtpaket (wie gesagt: Grüne und Piraten unterscheiden sich im Parteiprogramm nicht wirklich gravierend), aber es kommt trotzdem ne andere Botschaft rüber, weil die Piraten ihren Schwerpunkt einfach deutlicher setzen als es die Grünen gerade tun.

Wenn die Piraten gut abschneiden, sagen alle "Mensch, den Bürgern ist dieses so mysteriöse Internet ja doch irgendwie wichtig".
Wenn die AfD gut abschneidet, sagt man nicht "Wir wollen alle sofort aus der Eurozone raus" sondern "Hey, die Leute sind mit unserer aktuellen Politik und den großen Parteien nicht zufrieden und irgendwie hat Merkel es ja doch vielleicht irgendwie auch ein bisschen verkackt".
Wenn die Grünen gut abschneiden, dann hat man das Gefühl "Ja, die wollen halt mit-regieren und die Politik mitgestalten". Die Botschaft "Hey, Leute, Umweltschutz ist wichtig", rückt in den Hintergrund. Und das ist schade. Denn diese Botschaft hätte ich gerne in der Politik.

Und das haben nicht zuletzt die Grünen selbst zu verantworten. Sie sind breiter, weiter, allumfassender geworden. Eigentlich echt super. Und voll okay für die ganze Bevölkerung. Aber schon mal versucht, jemanden mit einem Tablett zu erstechen?
SignaturLiebe Grüße,
Christian 1367 Sprüche
Dieser Eintrag ist eine Antwort auf diesen Eintrag mit der ID 21273
Mo, 18. November 2013, 23:46
Tanja 5462 Sprüche
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Was du von den Grünen schreibst, passt weder unter "profillos", noch unter "wischiwaschi", sondern einfach nur unter "große Bandbreite von Themen".

Ich hab grad mal das Parteiprogramm der Piraten aus dem Regal geholt (ist von 2012, wird wohl noch das aktuelle sein) und da steht einiges über Bildungspolitik, Geschlechter- und Familienpolitik, Umwelt, Migration, Säkularismus, Drogenpolitik und Suchtpolitik. Und wenn die Piraten nicht so ein heterogener Haufen wären (ich hab einen ihrer Stammtische selber besucht, um mir ein Bild zu machen) hätten die sich auf noch viel mehr geeinigt, was über Internet und Urheberrecht hinausgeht.

Das Wichtigere ist aber: Deine Kritik richtet sich in meinen Augen nicht gegen die Grünen, sondern gegen unsere auf Parteien ausgerichtete Demokratie. Innerhalb unserer jetzigen Demokratie ist es notwendig, als Partei nicht nur ein Schwerpunktthema zu haben - für den Fall, dass du in die Regierung kommst, wird schließlich von dir erwartet, dass du dich um alle Bereiche kümmerst und dass man auch vorher weiß, was du in den Ressorts vorhast.
Du kannst im jetzigen System nicht sagen: "Die Grünen übernehmen Umwelt- und Agrarpolitik, die Piraten kriegen das neugegründete Internetministerium, die SPD darf Familienpolitik machen und die Linke kümmert sich um das Innenministerium, die sollen alle nur noch einen Schwerpunkt haben."
Und das hat auch eine gewisse Berechtigung. Wenn wir eine Politik haben, in dem wir für jedes Ressort eine eigene Vertretung wählen, dann arbeiten die Ministerien ziemlich schnell gegeneinander. Wenn Verkehrs- und Umweltministerium, Verteidigungs- und Entwicklungsministerium oder Wirtschafts- und Sozialministerium erstmal von unterschiedlichen Gruppen geführt werden, die alle nur noch ihren Spezialbereich sehen und in entgegengesetzte Richtungen rennen, weil sie nicht zu einer homogenen Gruppe mit halbwegs ähnlicher Prioritätensetzung gehören, dann wird Regieren in Deutschland schwierig, absurd und teuer.

Ich empfinde die Kritik am Parteiensystem als gerechtfertigt, weil die Parteien immer eine starre Liste an Lösungen vorgeben. Und dann wählt man eben eine, bei der man eine möglichst hohe Übereinstimmung hat - ich bin überzeugt, dass die Entscheidungen, die jeder mit seinem Kreuzchen als "Beifang" akzeptieren muss, zusammengerechnet verdammt viele sind.
Ich vermute zum Beispiel nicht, dass ein Großteil Deutschlands was gegen Homosexuelle hat. Oder dass die Menschen glauben, die Institution der Ehe würde durch gleichgeschlechtliche Paare bedroht, während tonnenweise Absolut-Nicht-Religiöse, die keine fünf Gebote zusammenbekämen, aber unbedingt der Romantik halber kirchlich heiraten wollen, keine größere Entweihung darstellen. Aber die CDU ist wegen anderer Dinge beliebt, und Diskriminierung ist eben Beifang.
Du bist bei Weitem nicht der einzige, der diese Kritik am Parteiensystem hegt.

Ich halte nur Spezialparteien nicht für die Lösung - eben, weil sie in unserem System nicht regierungsfähig sind und es auch nicht Sinn der Sache sein kann, dass alle Bürger mit tausenden Spezialparteien ihre Priorität bekunden, ohne, dass irgendjemand damit über die 5%-Hürde käme.
Die Lösung ist ein bisschen zu tiefgreifend und umfassend, als dass die Piratenpartei eine Lösung wäre (und sie macht die anderen Parteien auch nicht schlechter. Die tun das, was sie als Parteien tun sollten - nur bleiben es eben Parteien).
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Allie Keys in "Taken"

Di, 19. November 2013, 15:06
Xian 1367 Sprüche
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Ich kritisiere nicht so sehr die Grünen als Partei (sorry, wenn das so rübergekommen ist :-D) sondern ich empfinde ganz deutlich am Beispiel der Grünen, dass sie aufgrund ihrer "großen Bandbreite voln Themen" ihre Spezialität und ihr Alleinstellungsmerkmal aus den Augen verlieren.

Zitat von Tanja 5462 Sprüche Ich halte nur Spezialparteien nicht für die Lösung - eben, weil sie in unserem System nicht regierungsfähig sind und es auch nicht Sinn der Sache sein kann, dass alle Bürger mit tausenden Spezialparteien ihre Priorität bekunden, ohne, dass irgendjemand damit über die 5%-Hürde käme.
Die Lösung ist ein bisschen zu tiefgreifend und umfassend, als dass die Piratenpartei eine Lösung wäre (und sie macht die anderen Parteien auch nicht schlechter. Die tun das, was sie als Parteien tun sollten - nur bleiben es eben Parteien).
Wenn man dem Bürger mehr direkte Entscheidungsmacht in Form von Volksentscheiden und Petitionen anvertrauen würde, dann hätten wir das Ding mit der Homoehe schon ganz schnell abgehakt. Genau wie mit dem Atomausstieg auch.

Ja, das ist dann vielleicht nicht das volkswirtschaftlich günstigste, wenn man seine Christbaumbeleuchtung mit Solarstrom anfeuern will. Ja, die meisten begreifen wahrscheinlich nicht, dass sie dann tiefer in die Tasche greifen müssen... ja, jeder muss halt einen Beitrag leisten. (aber hey, wir lieben ja alle die Windräder).

Aber dann kommt der Willen des Volkes eben unmittelbar rüber und nicht so ein verkrüppelter Flickenteppich aus hanebüchenen Abmachungen. Und die Politik sollte dann das machen, was man von ihr erwartet: Den Willen des Volkes bestmöglich umgehen umsetzen.
SignaturLiebe Grüße,
Christian 1367 Sprüche
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Mi, 20. November 2013, 15:34
Tanja 5462 Sprüche
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Zitat von Xian 1367 SprücheAu ja. Grünenbashing!!!

Zitat von Xian 1367 SprücheIch kritisiere nicht so sehr die Grünen als Partei (sorry, wenn das so rübergekommen ist :-D)

Wie konnte dieses Missverständnis nur entstehen...


Zitat von Xian 1367 SprücheWenn man dem Bürger mehr direkte Entscheidungsmacht in Form von Volksentscheiden und Petitionen anvertrauen würde, dann hätten wir das Ding mit der Homoehe schon ganz schnell abgehakt. Genau wie mit dem Atomausstieg auch.
Okay, du bist für mehr direkte Demokratie.
Das ist jetzt aber kein Argument für deine bisherige Position (sinngemäß "Die Grünen sind doof, weil sie weit gefächert sind, die Piraten sind spitze, weil sie sich auf wenige Themen konzentrieren"), und somit auch kein Gegenargument für meine bisherigen Antworten.
Sowohl Grüne, als auch Piraten sind für mehr Bürgerbeteiligung.
Signatur

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