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 Der Wert des Handelns Antworten
Mi, 17. Juli 2013, 16:21
Saskia 2282 Sprüche
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Der Wert des Handelns
Eines Tages - ich war gerade das erste Jahr auf der High School - sah ich einen Jungen aus meiner Klasse nach Hause gehen. Sein Name war Kyle.
Es sah so aus, als würde er sämtliche Bücher mit sich tragen. Und ich dachte mir: "Warum bringt wohl jemand alle seine Bücher an einem Freitag nach Hause? Das muss ja ein richtiger Dummkopf sein."

Mein Wochenende hatte ich schon verplant (Partys und ein Fußballspiel mit meinen Freunden morgen Nachmittag), also zuckte ich mit den Schultern und ging weiter.

Da sah ich eine Gruppe Kinder in Kyles Richtung laufen. Sie rempelten ihn an, schlugen ihm seine Bücher aus den Armen und schubsten ihn, so dass er in den Schmutz fiel. Seine Brille flog durch die Luft, und ich beobachtete, wie sie etwa drei Meter neben ihm im Gras landete. Er schaute auf, und ich sah diese schreckliche Traurigkeit in seinen Augen. Mein Herz wurde weich.

Ich ging zu ihm hinüber - er kroch am Boden umher und suchte seine Brille -und sah Tränen in seinen Augen. Als ich ihm seine Brille gab, sagte ich: "Diese Typen sind Blödmänner..." Er schaute zu mir auf und sagte: "Danke!" Ein großes Lächeln zierte sein Gesicht. Es war eines jener Lächeln, die wirkliche Dankbarkeit zeigten.

Ich half ihm seine Bücher aufzuheben und fragte ihn dann, wo er wohne. Es stellte sich heraus, dass er in meiner Nähe wohnt. Also fragte ich ihn, warum ich ihn vorher nie gesehen habe. Er erzählte mir, dass er zuvor auf eine Privatschule gegangen war. Ich hätte mich früher nie mit einem Privat-Schul-Kind abgeben. Nun aber unterhielten wir uns den ganzen Nachhauseweg und ich trug seine Bücher.

Kyle war eigentlich ein richtig cooler Kerl. Ich fragte ihn, ob er Lust hätte mit mir und meinen Freunden am Samstag Fußball zu spielen. Er sagte zu. Wir verbrachten dann das ganze Wochenende zusammen und je mehr ich Kyle kennen lernte, desto mehr mochte ich ihn. Und meine Freunde dachten genauso über ihn.

Es begann der Montagmorgen und auch Kyle mit seinem riesigen Bücherstapel war wieder da. Ich stoppte ihn und sagte: "Oh Mann, mit all diesen Büchern wirst du eines Tages noch mal richtige Muskeln bekommen." Er lachte und gab mir einen Teil der Bücher.

Während der nächsten vier Jahre wurden Kyle und ich richtig gute Freunde.

Als wir älter wurden, dachten wir übers College nach. Kyle entschied sich für Georgetown und ich mich für Duke. Ich wusste, dass wir immer Freunde sein und diese Kilometer zwischen uns niemals ein Problem darstellen würden. Er wollte Arzt werden, und ich hatte vor, eine Fußballer-Karriere zu machen.

Kyle war Abschiedsredner unserer Klasse. Ich neckte ihn die ganze Zeit, indem ich sagte, er sei ein Dummkopf. Er musste eine Rede für den Schulabschluss vorbereiten. Und ich war so froh, dass ich nicht derjenige war, der sprechen musste.

Abschlusstag: Ich sah Kyle. Er sah großartig aus. Er war einer von denen, die während der High School zu sich selber finden und ihren eigenen Stil entwickeln. Kyle hatte mehr Verabredungen als ich, und alle Mädchen mochten ihn. Manchmal war ich richtig neidisch auf ihn. Heute war einer dieser Tage.

Ich konnte sehen, dass er wegen seiner Rede sehr nervös war. Da gab ich ihm einen Klaps auf den Rücken und sagte: "Hey, alter Knabe, du wirst großartig sein." Er sah mich mit einem jener Blicke (die wirklich dankbaren) an und lächelte. "Danke!", sagte er.

Als Kyle seine Rede beginnen wollte, räusperte er sich kurz.
Er fing folgendermaßen an: "Der Abschluss ist eine Zeit, um denen zu danken, die dir halfen, diese schweren Jahre zu überstehen: Deinen Eltern, Deinen Lehrern, Deinen Geschwistern, vielleicht einem Trainer... aber am meisten Deinen Freunden. Ich sage euch, das beste Geschenk, das ihr jemandem geben könnt, ist eure Freundschaft. Lasst mich euch dazu eine Geschichte erzählen."

Ich schaute meinen Freund etwas ungläubig an, als er nun von dem Tag erzählte, an dem wir uns das erste Mal trafen. Er hatte geplant, sich an diesem Wochenende umzubringen. Weiter erzählte er, dass er damals seinen Schrank in der Schule ausgeräumt und sein Zeug nach Hause getragen hat, so dass seine Mutter es später nicht tun müsste.

Er schaute mich an und lächelte. "Gott sei Dank: Ich wurde gerettet. Mein Freund hat mich vor dieser unsäglichen Sache bewahrt."

Ich konnte spüren, wie die Masse den Atem anhielt, als dieser gutaussehende, beliebte Junge uns von seinem schwächsten Augenblick im Leben erzählte. Und ich bemerkte, wie seine Mutter und sein Vater lächelnd zu mir herüber sahen. Es war genau das gleiche, dankbare Lächeln wie das von Kyle. Niemals zuvor spürte ich eine solch tiefe Verbundenheit.

Unterschätze niemals die Macht Deines Handelns. Durch eine kleine Geste kannst Du das Leben einer anderen Person ändern: zum Guten oder zum Bösen. Die Schöpfung setzt uns alle ins Leben des anderen, um uns gegenseitig zu beeinflussen - auf jede Art und Weise. Sieh' das Gute in anderen Menschen.
SignaturUnd was man nicht bekommt, das will man haben.
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