Noch niemals sah ich einen Menschen, der wirklich die Wahrheit sucht. Jeder, der sich auf den Weg gemacht hatte, fand früher oder später, was ihm Wohlbefinden gewährte. Und dann dann gab er die weitere Suche auf.
Mark TwainDer Spruch darf mit Autorenangabe frei verwendet werden, da die urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist († 21. April 1910) Zur Autorenbiographie
Dann hat Mark Twain offenbar keine Wissenschaftler gekannt. Die suchen nähmlich akribisch nach Wahrheiten - und haben sich dafür oft genug selbst zerstört...
Aber selbst der Chemiker und Nobelpreisträger Niels Bohr war mit seinem Atom-Modell zufrieden, obwohl es die Wahrheit nur bruchstückhaft abbildete.
Und genauso sind wir mit dem Atom-Orbital-Modell zufrieden, wir stellen Berechnungen an und ziehen Schlüsse... alles aus einem Modell, das die Wirklichkeit (gezwungenermaßen) eher schlecht als recht abbildet.
Auch fanden viele Wissenschaftler das ganz okay, dass die Erde eine Scheibe oder Mittelpunkt der Welt sein sollte.
Wenn wir so ein Modell, eine Denkweise haben, die die Wahrheit für uns genau genug erklärt, sind wir zufrieden und lehnen uns zurück (bzw wir nutzen das aktuelle Modell, um darauf aufzubauen). Würden wir nach der "absoluten Wahrheit" suchen, ein Modell, das die Wirklichkeit exakt abbildet, dann würden wir als Wissenschaftler nicht arbeiten können. Das überlassen wir den Philosophen.
Von daher stimmt der Spruch durchaus. Wir suchen nach einer Erklärung, die uns passt. Und nicht nach der Wahrheit.
Ich hatte den Spruch persönlich nicht auf wissenschaftliche Wahrheiten bezogen.
Ich schätze, Wahrheiten sind einfacher zu suchen und zu finden, wenn sie einen persönlich nicht so betreffen. Dinge wie die Gravitation würden von niemandem ohne weiteres zu den "schmerzlichen Wahrheiten" gezählt, die man nicht recht wahr haben will.
Wenn es aber um die "größeren" (meist abgenutzten) Fragen geht, welchen Sinn ich denn in mein Leben setze und welchen ich vorgegeben glaube, wird es meistens kritisch. Auch die überzeugtesten Atheisten oder Agnostiker macht die Erkenntnis nicht glücklich, sie sein ein Zufallsprodukt und haben keinen weiteren Zweck hier. Irgendeine Richtlinie braucht der Mensch in meinen Augen, da jeder Mensch doch für sich "richtig" handeln möchte. Es ist die Vorraussetzung für jede moralische Rechtfertigung, für Vertrauen, Selbstbestätigung, Einschätzung und Verurteilung anderer, das Gefühl von Sinn.
Das geht übrigens auch andersherum. Fatalisten und Deterministen mögen davon überzeugt sein, alles ist genau so, wie es kommt, vorrausbestimmt und unabänderlich. Wenn man ihnen mit voller Wucht auf den Fuß tritt, werden sie sich höchstwahrscheinlich dennoch beschweren, und einem nicht abnehmen, dass das nun Teil ihres Schicksals war.
Auf diese Weise denke ich, dass der Spruch nicht so unrecht hat. Ich schätze, der Mensch neigt dazu, ein bisschen schlampig mit seiner Weltanschauung umzugehen, sobald sie an seinen Grundbedürfnissen nagt.
(War das nun halbwegs verständlich?)
Signatur
Hope is the biggest lie there is, and it is the best.
We have to keep going as if it all mattered, or else we wouldn't keep going at all.
Allie Keys in "Taken"
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