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Gedanken…


Tanja 5462 Sprüche - 31. Oktober 2013

Sinn der Demokratie


Wie ihr wisst, haben wir vor nicht allzu langer Zeit wieder unseren Bundestag gewählt.
Und in Diskussionen mit Freunden und Kommilitonen fiel mir auf: Die Frage, wozu die Wahl eigentlich gut ist, ist gar nicht so leicht zu klären.

Parteien sollen die Meinung von Bürgern widerspiegeln. Man wählt also eine Partei, wenn man eben dieser zutraut, dass sie den eigenen Willen gut umsetzen kann. Somit werden Leute, die gerade großzügig geerbt haben, seltener die Linke wählen und für das Präkariat erscheint die FDP eher als unattraktive Partei.
Soweit klingt das eigentlich ganz klar.

Gleichzeitig ist aber nicht alles, was zum eigenen Willen gehört, auch Teil der eigenen Wertevorstellung.

Es gibt Leute, die finden, dass die Grünen eigentlich gar nicht so doofe Ideen haben. Bei der Energiewende, dem Ausbau der Kitas oder weniger Massentierhaltung trauen ihnen viele einiges zu. Und dann heißt es aber: "Wegen denen muss man in der Berlin die dämliche Feinstaubplakette für sein Auto kaufen" oder "Ich mach mein Kreuz doch nicht für eine Steuererhöhung" (die Verordnung zu den Feinstaubplaketten wurde übrigens auf Bundesebene von schwarz-rot durchgebracht und in Berlin von rot-rot umgesetzt).
In jedem Falle: Wenn jemand die Grünen für vernünftig hält, heißt das noch lange nicht, dass er sie wählt. Nicht, wenn sie für das eigene Leben unbequem werden.

Auch wenn Deutschland Waffen an Nicht-NATO-Staaten durchwinkt oder Homosexuelle keine gleichen Rechte erhalten, sagen viele auf der theoretischen Ebene, dass sie das nicht gut finden - auf der praktischen Ebene tangiert es ihren persönlichen Lebensbereich nicht, und somit auch nicht ihr Wahlverhalten.

Dieses Denken betrifft nicht nur die politisch rechten Wähler. Auch unter den Linken kenne ich Leute, die soziale Absicherung und Solidarität vor allem dann fordern, wenn sie selbst darauf angewiesen sind. Ob es für die Gesellschaft nachhaltig und sinnvoll ist, spielt dann eine kleine Rolle.

Ein großer Teil des Wahlverhaltens geht also anscheinend darauf zurück, dass man denjenigen wählt, der einem das eigene Leben schöner macht.
Das klingt vernünftig, wenn man sagt: Die Parteien spiegeln den Willen der Bevölkerungsgruppen wider. Und demokratische Entscheidungen kommen eben dann zustande, wenn ein großer Teil der Bevölkerung damit einverstanden ist.
Das klingt weit weniger vernünftig, wenn man sagt: Die Parteien betreiben Klientelpolitik. Und demokratische Entscheidungen kommen dann zustande, wenn ein großer Teil der Bevölkerung davon profitiert oder zumindest nicht gestört wird. Wer kein ansprechendes Klientel ist (weil er als Asylant, Jugendlicher oder Naturschutzgebiet nicht wahlberechtigt ist), hat auch keine Partei, die ihn vertritt - Pech gehabt. Dafür können Parteien wie die CSU, solange sie nur bayrische Interessen wahren und somit ihre Wähler zufrieden stimmen, so ziemlich jeden Scheiß fordern.

Es gibt einen kleinen Haufen von Bürgern, die eine politische Meinung vertreten, weil sie sie für die gesamte Gesellschaft für das Sinnvollste halten. Das heißt: Egal in welcher Rolle sie in der Gesellschaft wären, sie würden immer die gleiche Wahl treffen - weil sie eben einen Weg wählen, in dem jede Rolle der Gesellschaft gerecht behandelt wird.

Das klingt total lieb, beinhaltet aber die Arroganz, das man glaubt, zu wissen, was gut für die Gesellschaft ist. Das Dumme ist: Das weiß man nicht. Studien stellen fest, das Kindergeld kaum als Anreiz zum Kinderkriegen gewertet wird und harte Sanktionen für Arbeitslose, die ein Jobangebot ablehnen, die Betroffenen zu Schulden oder in perspektivlose Jobs bringen, aber nicht in schneller vermittelte, gute Arbeit.
Wer glaubt, er könnte sich in alle anderen hineinversetzen und mit ein paar Stellschrauben Lebensbedingungen schaffen, in denen jeder sich positiv vehält, vergisst die Unberechenbarkeit von Menschen und die Macht von Nebenwirkungen.
Also wäre es vielleicht doch das Beste, jeder wählt nur das, was ihm persönlich nutzt? Nach dem Motto "Wenn jeder an sich selbst denkt, ist an alle gedacht"?

Ich persönlich gehöre zu denen, die lieber das wählen würden, was sie für gesamtgesellschaftlich sinnvoll halten. Wirtschaftliche Macht ist ein gewaltiger Hebel. Waffenexporte haben massiven Einfluss auf instabile Regionen. Durch uns verursachter Klimawandel wird als erstes viel unschuldigere Länder treffen. Und die politischen und sozialen Modelle eines erfogreichen Landes können als Vorbild dienen. Wir haben also genügend in der Hand, um mit unserem Kreuz weit mehr als nur unser eigenes Land zu beeinflussen - deshalb sollten wir das Verantwortungsbewusstsein zeigen, bei der Wahl nicht nur an unser eigenes Land zu denken.
Soweit mein Standpunkt.
Dazu ist zu sagen: Es ist verdammt einfach, Idealist zu sein, wenn man noch keine Steuern zahlt, kein Auto fährt, keine Kinder großzieht, nie Hartz-IV beantragen musste, sich noch nicht um die Rente kümmert, kein Millionenerbe ansteht und kurzum: man einfach nicht betroffen ist. Wollen wir also mal sehen, wie ich mich in fünf Jahren positioniere.

Aber weil ein guter Teil von euch genau wie ich noch in der schönen Welt des Konjunktivs lebt, wüsste ich gerne von euch, was ihr für das richtige Wahlverhalten erachtet. Und natürlich sind auch alle, für die politische Entscheidungen auch persönliche Auswirkungen haben, herzlich Willkommen bei der

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