Ist das denn so?
Dass aus Dinosauriern nicht über Nacht Vögel wurden, darüber brauchen wir uns wohl nicht streiten.
Aber das eine Ideologie ebensolange braucht? Das kann ich mir nicht vorstellen.
Wenn du eine bestimmte Idee unter die Massen bringen willst, dann solltest du das möglichst schnell tun. Wenn du deiner Zuhörer nicht innerhalb der ersten Minuten überzeugen kannst, kannst du sie gar nicht überzeugen.
Und dabei steht gar nicht die Ideologie im Mittelpunkt - sondern wie sie rübergebracht wird.
Du kannst noch so gut über den Weltfrieden referieren und dafür eintreten, wenn neben dir einer die Massen mit flammenden Reden für den Krieg begeistert, hast du keine Chance.
Bestimmte Ideen - und damit auch Ideologien - können sich also ganz schnell in den Köpfen der Menschen festsetzen.
Wenn man sich ein paar große Ideen und Bewegungen der Geschichte ansieht: Dinge wie die Aufklärung, die Arbeiterbewegung, die Bürgerrechtsbewegung in den USA oder die Emanzipation, die mussten sich nach und nach in den Köpfen breitmachen. Gedanken darüber, wie eine Demokratie funktionieren könnte, gibt es seit der Antike; die heutige Verbreitung und Langlebigkeit hat aber ihre Zeit gebraucht. Das Christentum war ebenfalls eine wesentliche Idee für die westliche Welt, die Europa sicherlich mit Kreuzzügen, Hexenverbrennung, Moralvorstellungen und Kriegen geprägt hat - die Christianisierung hat zuvor aber Jahrhunderte in Anspruch genommen. Was den Kommunismus angeht ist das mit der flächendeckenden Begeisterung wohl auch im Realsozialismus nur begrenzt gelungen.
Und die Piratenpartei (die, wenn man sich Interviews mit Marina Weisband so durchliest, anscheinend davon überzeugt ist, sich in eine Reihe mit diesen Ideen stellen zu können), ist trotz des Hypes nun ja nicht gerade eine Volkspartei geworden.
Du kannst jetzt natürlich mit der Kriegsbegeisterung vor dem ersten Weltkrieg kommen. Oder mit faschistischen Regimen. Vielleicht, ja, gab es immer wieder Bewegungen, die eine breite Bevölkerungsschicht begeistert hat. Ich denke, dass es sich dabei aber mehr um Bewegungen handelt als um Ideologien.
Die Kriegsbegeisterung, der Faschismus und meinetwegen auch die Occupy-Bewegung wurden/werden getragen von einem Gefühl von "Es muss sich etwas ändern", ohne, dass die Richtung allen so klar war. Ich würde schätzen, das sind emotionale Angelegenheiten, da steckt vielleicht Wut oder Größenwahn dahinter, aber keine ausgereifte Idee.
Gut, du kannst jetzt einwenden, der Faschismus in Deutschland hatte auch einige Ideen - zum Thema Eugenetik beispielsweise. Wäre diese Ideologie aber das wesentliche für die Bevölkerung gewesen, wieso wurde sie dann nicht öffentlich vollstreckt? Die Vernichtungslager, die Aktion T4 - das fand nicht unsichtbar statt, aber doch so, dass man es ignorieren konnte, wenn man sich Mühe gab. Ich vermute, dass eher die Bewegung für die Deutschen zählte: der Personenkult um Hilter, das Gemeinschaftsgefühl, die innerdeutsche Solidarität und die angebliche Überlegenheit der Arier. Das ganze wurde pseudowissenschaftlich mit Sozialdarwinismus und Rassenfoschung glaubwürdig gemacht und durch die sinkende Arbeitslosigkeit oder die Erfolge im Frankreichfeldzug anscheinend bestätigt. Das hat viele mitgerissen, aber das heißt nicht, dass sie alle hinter sämtlichen Aussagen aus "Mein Kampf" standen oder sich überhaupt inhaltlich damit beschäftigten.
Ich will sicher keine der Taten verharmlosen, ich will nur sagen: Das war keine Kopfsache. Und ich bin sicher kein Experte, es ist nur mein Eindruck.
Kurzum: Ja, ich denke, wirkliche Ideologien brauchen eine Weile.
Das, was schnell mitreißt, sind Bewegungen. Sie haben oft auch eine inhaltliche Ebene, aber um zu begeistern bauen sie auf starke Gefühle, Gruppengefüge und Mobilisierung. Wenn eine solche Bewegung sich plötzlich definieren muss (wie es beispielsweise das Neue Forum nach der Wende musste), kann sich herausstellen, dass die Mitglieder inhaltlich sehr unterschiedliche Vorstellungen hatten.
Signatur
Hope is the biggest lie there is, and it is the best.
We have to keep going as if it all mattered, or else we wouldn't keep going at all.
Allie Keys in "Taken"
Freut mich, das Euch die Worte zum Nachdenken angeregt haben.
Egal was auch immer rauskommt, nachgedacht zu haben ist immer ein Schritt nach vorn. Nicht nur richtige, auch falsche Aussagen können dies bewirken.
Aussage Dinosaurier.... Vögel ist ja klar.
Ideologie.... Bewußtsein...... über Nacht verzaubern.... ?
Letzteres ist auch klar.
Unser Bewußtsein allerdings ist ein gewaltiges "Werk".
Es basiert ua. auf einem gewaltigen kulturhistorischen Prozeß, beinhaltet alles Gute und Schlechte unserer Seele und reflektiert das "Leben" selbst, welches nicht unbedingt immer unseren Vorstellungen von ihm folgt.
Das Bewußtsein so tiefgreifend (wie Dino- Vögel) zu ändern, und das ja nicht einzeln sonden in der Masse,
ist eben kein Klags !?
Eine Idee kann die Welt verändern, das ist klar, aber nur wenn sie zur rechten Zeit (Einstein) kommt und auf fruchtbaren Boden fällt, sprich die ihr entgegen wirkenden gesell. Kräfte nicht größer sind.
Zwischen einer Idee und einer Ideologie besteht aber ein feiner und trotzdem gewaltiger Unterschied.
Eine Idee wird zur Ideologie, wenn diese von einer oder einer Gruppe von Personen zur Verschleierung der wahren Verhältnisse benutzt wird und vor den Karren ihrer Interessen gespannt wird.
Eine Ideologie folgt also nicht den Erfordernissen des wahren Lebens, sondern bestimmten Interessen. Somit führt die Ideologie auf geschichtshistorische Irrwege, von denen unter Leid und Schmerz wieder zu wahren Erfordernissen zurückgekehrt werden muß.
Der Spruch hat also eine doppelte Aussage.
Mit einer Ideologie kann man zwar das Bewußtsein ändern, bringt es aber auf Irrwege?
Das Bewußtsein im Guten zu ändern ist allerdings ein gewaltiger Prozeß von sehr vielen kleinen Schritten.
Ps.: Jeder weiß eigentlich, was ökologisch die Stunde auf unserem Planeten geschlagen hat, jeder vernünftig denkende, und doch machen und werden wir so weiter machen.... weil es im kulturhistorischen eben keinen "Cut" gibt, sondern einen Entwicklungsprozeß.
Die Natur selbst hätte die Mittel für solch einen "Cut"
(siehe Kreta, Santorin, Untergang minoische Kultur)
doch das wollen wir um Gottes Willen nicht hoffen.
LGr
Karl
Ps.: Meine Achtung Tanja !
Reife Auseinandersetzung mit solch schwierigen Themen,
Hut ab.
LGr
Karl
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Ich bin ein Käfig, auf der Suche nach einem Käfig.
Franz KafkaDer Spruch darf mit Autorenangabe frei verwendet werden, da die urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist († 3. Juni 1924) Zur Autorenbiographie
Super! Wenn man »Soziales Netzwerk mit Niveau« googelt, landet man, ob man es nun glaubt oder nicht, hier. Das liegt daran, dass ich zum hier links unten angegebenen Zeitpunkt einen die Wortgruppe »Soziales Netzwerk mit Niveau« enthaltenden Spruch veröffentlicht habe, nämlichen genau den, den Sie gerade lesen. Das hier ist das einzige soziale Netzwerk mit Niveau. Echt wahr.
Arne ArotnowNichtkommerzielle Verwendung des Spruches mit Autorenangabe ausdrücklich erlaubt
Der Krieg in der Ukraine ist eine humanitäre Katastrophe und muss schleunigst beendet werden. Man muss die Ukraine daher ausnahmsweise gegen die Regel in einem Schnellverfahren in die NATO aufnehmen, um echten Druck auf den Kreml aufzubauen. Es kann doch nicht sein, dass Russlands Präsident weiterhin mit dem Westen macht, was er nur will. Er setzt Angst als Waffe ein. Es wird Zeit, dass wir, die Anhänger von Freiheit und Demokratie, das Heft des Handels in die Hand nehmen und uns eben nicht von Angst leiten lassen. Wir müssen endlich in die Position kommen, in der wir selbst das Geschehen diktieren und nicht ein Kriegsverbrecher. Um den Wahnsinn zu beenden, muss dieser erste Schritt endlich getan werden. Wir müssen jetzt selbst an der Eskala- tionsschraube drehen, denn eine andere Sprache spricht der Kreml nicht. Die Russen müssen die Angst am eigenen Leibe spüren. Wie lange soll der Krieg noch dauern? Lieber ein Ende mit einem gewissen Schrecken als Despotismus und Tyrannei ohne Ende.
Arne ArotnowNichtkommerzielle Verwendung des Spruches mit Autorenangabe ausdrücklich erlaubt
Die Macht Macht in einer Hand gelegen, war für die Menschheit niemals ein Segen. Schon in der Antike hat man erkannt, bleibt die Macht in einer Hand, bringt sie uns an des Abgrunds Rand und man deshalb die Demokratie erfand. Hier wird sie nicht in einer Hand verweilen und man kann sie auf mehrere Schultern verteilen. Um ein Land demokratisch zu führen, muss man die Macht teilen und dosieren. Doch kein Machthaber der Welt sich jemals an diese Regeln hält. Es wird sie leider immer wieder geben, doch langfristig kann ihr System nicht überleben. Treiben sie es mit ihrer Macht zu toll, hat das Volk irgendwann die Nase voll. Es kann viel Wut in einem Volke wohnen, oft endete das in blutigen Revolutionen. Auch jetzt schauen wir wieder wie gebannt, auf einen einzigen mit mächtiger Hand. Er hält das Geschick eines Volkes in Händen, keiner weiß, wie wird es enden.
Ist die Kindheit vergangen, hat die Leichtigkeit der Jugend angefangen, ist die Jugend vergangen, wird man zu den Pflichten der Lebensmitte gelangen, ist die Lebensmitte vergangen, ist man in den Beschwerden des Alters gefangen.