Das Spruch-Archiv

Wer sagt das? Wieso muß ein Mensch seine Lebensgeschichte abkürzen? Sie ist doch so wie sie ist, da entscheidet doch nicht der Mensch ob sie kurz oder lang, einfach oder kompliziert ist?

Ich verstehe den Spruch anders.
Nein, der Mensch soll nicht seine Lebensgeschichte generell verändern oder verkürzen. Aber jede Meinung ist eine verkürzte Lebensgeschichte.

Sagen wir, Marc vertritt die Meinung, dass Briefkontakte viel ausdrucksstärker sind als alle E-Mails und SMS zusammen - dann hat er wahrscheinlich nicht eine Münze geworfen, welche Meinung er denn vertreten möchte.
Vielleicht hat er als Kind immer Briefe von seiner Tante bekommen, bei denen immer ein Sticker für ihn dabei lag. Vielleicht hat ihm sein Vater ihm die Zeit seiner Dienstreise verkürzt, indem er ihm schöne Ansichtskarten und ausländische Münzen zugeschickt hat.
Vielleicht führt er seit Jahren eine schöne Brieffreundschaft.
Vielleicht hat er festgestellt, dass seine Freundin in den Briefen seinen Namen immer etwas verschnörkelt schreibt und kleine Herzchen in die Ecken den Briefpapiers malt - was doch irgendwie etwas völlig anderes ist, als ein <3 in einer Mail.

In jedem Fall hat er etwas erlebt, dass ihn zu dieser Meinung gebracht hat. Doch wenn er seine Meinung sagen soll, dann kann er nicht seine Lebensgeschichte ausbreiten.
Stattdessen sagt er einfach nur "Ich finde, dass Briefe mehr Ausdruckskraft haben als elektronisch verschickte Nachrichten" und reduziert seine Gründe auf ein paar abstrakte Erklärungen.

Was also als seine Meinung im Raum steht, das ist nichts als seine "abgekürzte" Lebensgeschichte.